Teure Fehler bei Rückzahlungsklauseln von Fortbildungskosten – diese Fehler sollten Arbeitgeber vermeiden
Die Arbeitswelt wandelt sich rasant – wer kluge Mitarbeitende will, muss in deren Weiterbildung investieren. Doch wer zahlt, möchte sich absichern. Also wird eine Rückzahlungsklausel in den Vertrag geschrieben… nur leider oft ohne rechtliche Sorgfalt.
Die Folge: Die Klausel ist unwirksam, der Arbeitnehmer geht – und der Arbeitgeber bleibt auf den Kosten sitzen.
Hier sind die Top 5 Fehler, die Arbeitgeber unbedingt vermeiden sollten:
📌 1. Vertragliche Regelung
- Schriftlich und vor Beginn der Fortbildung vereinbaren
- Mündliche Absprachen vermeiden – vor Gericht schwer beweisbar
📌 2. Unangemessene Benachteiligung – AGB-Kontrolle
a) Unangemessen lange Bindungsdauer
Die Bindungsdauer muss zur Dauer der Fortbildung passen – sonst ist die Klausel unwirksam.
| Dauer der Fortbildung | Maximale Bindungsdauer | |
| bis 1 Monat | 6 Monate nach Ende der Fortbildung | |
| bis 2 Monate | 1 Jahr nach Ende der Fortbildung | |
| 3 bis 4 Monate | 2 Jahre nach Ende der Fortbildung | |
| 6 Monate bis 1 Jahr | 3 Jahre nach Ende der Fortbildung | |
| mehr als 2 Jahre | 5 Jahre nach Ende der Fortbildung |
➡️ Wird die Grenze überschritten, ist die gesamte Klausel nichtig – eine „Kürzung“ auf ein zulässiges Maß ist nicht erlaubt (📚 § 307 i.V.m. § 306 BGB).
🧾 LAG Niedersachsen (Urt. v. 5.6.2024 – 8 Sa 562/23): 5 Jahre Bindung bei 50 Tagen Fortbildungsfreistellung= unzulässig
Und…
🔹 Wichtig: Fortbildungskosten müssen zeitanteilig nach Abschluss der Maßnahme reduziert werden.
Es ist unbillig, denselben Betrag zurückzufordern, unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis kurz nach der Fortbildung oder erst nach zwei Jahren endet. Bei einer Bindungsdauer von zwei Jahren ist eine monatliche Reduktion um 1/24 geboten.
b) Fehlende Ausnahmetatbestände – Rückzahlungsklausel unwirksam; BAG, Urt. v. 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; BAG, Urt. v. 01.03.2022 – 9 AZR 260/21
- In beiden Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) betont, dass eine Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten nur dann wirksam ist, wenn sie zwischen verschiedenen Kündigungssituationen differenziert. Eine undifferenzierte Regelung, die eine Rückzahlung pauschal bei jeder Eigenkündigung des Arbeitnehmers vorsieht, benachteiligt diesen unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
- Das BAG verlangt, dass die Rückzahlungspflicht ausdrücklich ausgenommen wird, wenn die Eigenkündigung des Arbeitnehmers aus berechtigtem Anlass erfolgt, z. B.:
- bei dauerhafter unverschuldeter Leistungsunfähigkeit (z. B. krankheitsbedingt),
- bei einer durch den Arbeitgeber veranlassten oder mitveranlassten Kündigung (z. B. durch Mobbing, vertragswidriges Verhalten, strukturelle Maßnahmen),
- oder bei einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber.
➡️ Fehlen solche Differenzierungen, ist die Rückzahlungsklausel insgesamt unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion auf den zulässigen Anwendungsbereich ist ebenfalls ausgeschlossen.
c) überraschende Regelungen
- Rückzahlungsklauseln dürfen nicht versteckt, mehrdeutig oder missverständlich sein.
- Sie müssen verständlich formuliert und an erwartbarer Stelle im Vertrag aufgeführt werden.
- Mitarbeitende müssen auf einen Blick erkennen: Was wird fällig, wann, in welcher Höhe?
d) Der Arbeitnehmer muss sein Kostenrisiko beziffern können
In der Klausel müssen daher die einzelnen Positionen genau bezeichnet sein, aus denen sich die Rückforderungssumme zusammensetzt sowie außerdem die Angabe, nach welchen Parametern diese Positionen berechnet werden.
📌 3. Geldwerter Vorteil
Eine Rückzahlungspflicht setzt voraus, dass die Fortbildung dem Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil verschafft – also seine individuelle Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt erhöht (BAGE 76, 155 = NZA 1994, 937 (949)
✅ Geldwerter Vorteil liegt vor, wenn:
- die Fortbildung zu einer höheren Tarifgruppe führt,
- ein allgemein anerkanntes Zertifikat (z. B. IHK, TÜV, Fachtherapeut etc.) erworben wird,
- der Arbeitnehmer dadurch auch bei anderen Arbeitgebern bessere Chancen hat.
❌ Kein geldwerter Vorteil, wenn:
- die Maßnahme nur der innerbetrieblichen Schulung dient,
📌 4. Verstoß gegen gesetzliche Verbote
❌ Rückzahlungsklauseln sind immer unzulässig bei:
- Berufsausbildungsverhältnissen (§ 12 BBiG);
- gesetzlich verpflichtenden Schulungen (z. B. Sicherheitsschulungen) (Ist der Arbeitgeber zum Angebot von Fortbildungen verpflichtet, muss er die dafür entstehenden Kosten allein tragen!)
📌 5. Rückzahlung bei Abbruch oder Nichtbestehen der Fortbildung
Nur zulässig, wenn die Gründe aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers stammen.
🎓 Fazit:
Rückzahlungsklauseln müssen rechtssicher, fair und individuell sein.
❗ Pauschale Musterformulierungen ohne rechtliche Prüfung führen schnell ins Leere.
➡️ Im Zweifel zahlt der Arbeitgeber